Forschungskooperation mit Universitäten und Entwicklung eigener Patente

Forschung & Entwicklung

Ein starker Auftritt - Steinbeis-Team entwickelt zementfreie Vergussmasse für stark beanspruchte Industrieböden

In der Baustoffindustrie ist Portlandzement seit über 100 Jahren das wichtigste Bindemittel zur Herstellung von Beton. Die enorm hohe Zementproduktion mit mehr als zwei Milliarden Tonnen im Jahr hat jedoch auch einen hohen ökonomischen und ökologischen Preis, da sie sehr emissionsintensiv ist. In den letzten Jahren gewinnt die Ressourceneinsparung im Bauwesen wieder stärker an Bedeutung, denn ohne eine deutliche Steigerung der Effizienz ist zukunftsfähiges Bauen und Wohnen nur schwer zu bewerkstelligen. Hieraus resultiert ein enormer Bedarf an leichten, leistungsstarken Materialien und Verbundbauweisen. Im Chemnitzer Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete werden neue faser- und textilverstärkte Baustoffe und Verbunde sowie Technologien zur Herstellung entwickelt, erprobt und umgesetzt. Dabei stehen die Materialentwicklung, Konstruktion, technologische Umsetzung, Analyse und Kennwertbestimmung im Vordergrund. In einem Verbundprojekt entwickelten die Steinbeis-Experten nun eine energieeffiziente Alternative für den Einsatz von Portlandzement.

In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) geförderten Forschungsprojekt hat das Steinbeis-Team gemeinsam mit dem Industriepartner Hainspitzer Bauchemie Handel GmbH das zementfreie faserverstärkte Vergusssystem AlkaliTex® entwickelt und zur Marktreife gebracht und damit eine Alternative zu Portlandzement für die Herstellung von Mörtelsystemen und Betonelementen aufgezeigt.

Schon in den letzten Jahren wurden aus Gründen der Ressourceneinsparung zunehmend Portlandkompositzemente eingesetzt, die neben Portlandzementklinker weitere Sekundärrohstoffe enthalten. Für die Erfüllung des Klimaziels der Bundesrepublik Deutschland, die Treibhausgase bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu verringern, reicht die Verwendung von Kompositzementen jedoch nicht aus (vgl. Gartner, E. M.; Macphee, D. E.: A phisico-chemical basis for novel cementicious materials. Cement and Concrete Research 2011, 41). Darüber hinaus können portlandzementbasierende Betone aufgrund ihrer geringen chemischen Beständigkeit im sauren Bereich nicht in allen Bereichen uneingeschränkt eingesetzt werden. Alkalisch aktivierte Bindemittel (AAB) stellen eine interessante Alternative zur Herstellung von Beton und Mörtel dar, da sie zum Teil bessere Eigenschaften aufzeigen und verringerte Treibhausgase im Vergleich zu Portlandzement verursachen.

Das Projekt-Team verarbeitete in einem ersten Schritt einen optimierten Komponenten-Mix aus den reaktiven Sekundärrohstoffen Hüttensandmehl und Steinkohleflugasche in einem Zwangsmischer zu einem AABVergussmörtel, wobei zuerst Bindemittel und Gesteinskörnungen zugegeben und 30 Sekunden lang vermischt wurden. Danach wurde der Mörtel alkalisch mit einem Gemisch aus Natronlauge und einer wässrigen Natriumsilikat-Lösung bei Umgebungstemperatur aktiviert. In einem nächsten Arbeitsschritt kamen die AR-Glasfasern in die Mischung. Um eine Beschädigung der empfindlichen Glasfasern zu vermeiden, wurde die weitere Mischzeit reduziert und der Energieeintrag während des Mischprozesses minimiert. Anschließend sind die AAB-Mischungen in Formen gefüllt worden. Bis zum Ausschalen nach sechs Stunden bei Umgebungstemperatur lagerten die Formen.

Zur Charakterisierung des neuen AAB-Vergussmörtels haben die Forscher repräsentative Materialprüfungen durchgeführt. Der Vergussmörtel ist in die Fließmaßklasse f1 nach der DAfStb-Richtlinie „Herstellung und Verwendung von zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel“ eingeteilt worden. Die Bestimmung der Druck- und Biegezugfestigkeit ergab Werte von 47,6 beziehungsweise 5,2 MPa, wobei diese durch die Integration des 3D-Gewirkes auf 67,5 beziehungsweise 22,9 MPa gesteigert werden konnten. Die Schwindverformung betrug nach 14 Tagen rund 0,94 mm/m. Diese hohe Schwindverformung konnte innerhalb von Schwindverformungsmessungen auf die kontinuierliche Restrukturierung und Polymerisation der Aluminosilikat-Gelstrukturen zurückgeführt werden. Der pH-Wert der frischen AAB lag bei 14, wobei sich dieser nach 14 Tagen durch die Reaktionen auf 10 reduzierte. Für die Bestimmung der Dauerhaftigkeit der AAB-Matrix untersuchten die Projektpartner den Frostwiderstand, die Wasserdurchlässigkeit und den Säurewiderstand.

Nach diesen positiven Tests in der Theorie standen Versuche in der Praxis an. „Für die Referenzflächen haben wir diverse Industrieböden mit einer Größe von 15 bis 50 m² ausgewählt, bei denen erhebliche Oberflächenbeschädigungen des Fußbodens vorlagen. Diese Betonoberflächen wollten wir durch den Einsatz der selbstfließenden AlkaliTex® sanieren“, erläutert Dr. Sandra Gelbrich, Leiterin des Steinbeis-Innovationszentrums FiberCrete. Bei den Sanierungen kamen kurzfaser- und textilverstärkte AAB-Vergussmassen zum Einsatz, die Schichtstärken variierten anwendungsspezifisch zwischen 8 und 20 mm. Dazu wurden im Vorfeld die Trocken- und Flüssigkomponenten in zwei getrennten Gebinden gravimetrisch dosiert. Die Mischungen fanden diskontinuierlich in einem für die AAB eigens entwickelten mobilen Zwangsmischer statt, wobei erst die flüssigen und anschließend die trockenen Komponenten dosiert wurden. Nach einer Mischzeit von drei Minuten wurden der Zwangsmischer entleert und die frischen AAB diskontinuierlich auf die Fußböden vergossen. Bereits zwei Stunden nach der Sanierung war der sanierte Fußboden belastbar und konnte begangen werden. Die mit AAB sanierten Industrieböden zeigten nach der Sanierung keine Risse oder Defekte an der Oberfläche auf.

Die Experten im Verbundprojekt sind überzeugt: Alkalisch aktivierte Bindemittel repräsentieren eine interessante Alternative für den partiellen oder vollständigen Ersatz von Portlandzement für die Herstellung von Mörtelsystemen und Betonelementen. AlkaliTex® besteht aus einem alkalisch aktivierten Bindemittel mit integrierter textiler Bewehrung und wurde für Industrieböden angepasst: Es weist eine hohe mechanische und chemische Belastbarkeit sowie eine extreme Dauerhaftigkeit auf. Inzwischen ist die Entwicklung patentiert. Und auch die Weiterentwicklung ist schon in vollem Gange: Aufgrund des großen Potenzials von faserverstärkten alkalisch aktivierten Bindemitteln entwickelt das Steinbeis-Team aktuell weitere AlkaliTex®-Produkte zur Sanierung und Verstärkung chemisch hochbeanspruchter Flächen.

Kontakt

Dr.-Ing. habil. Sandra Gelbrich, Henrik L. Funke
Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete (Chemnitz)

Mit ZIM erfolgreich geforscht

September 2017